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Wenn Mütter arbeiten…

Juni 20, 2012

Seit einigen Tagen häufen sich die Artikel zu Arbeit und Kind in den Blogs in die ich jeden Tag reingucke. Super MOM hat eine Kündigung bekommen, weil (ich übersetze und interpretiere mal frei, ergänze oder korrigiere mich, liebe Super MOM) sie als Mutter nicht mehr zuverlässig und arbeitsfähig ist. Glücklich Scheitern ist auf der Suche nach einem neuen Job. Natürlich hat die Nicht-Verlängerung ihres Vertrags NIX mit dem Kind zu tun. Neinnein…. schon klar. Dazu kommen diverse Links über Bücher, die sich mit dem Thema „Berufstätige Mütter“ beschäftigen. Wie hier diese sehr schöne Rezension zum Buch von Barbara Streidl „Kann ich gleich zurückrufen?“ Und mich mal wieder in dieses Thema reinschubsten, das ich normalerweise mittlerweile wirklich ausblende. Weil ich mich damit arrangiert habe, was aber nicht aussschließt, dass ich Papa007 abends bitte, mein Hirn bitte bei Ebay einzustellen, denn wer den ganzen Tag Kunden betüddelt und abends noch das Abendessen kocht – der braucht eigentlich kein wirkliches Hirn mehr. Jedenfalls kein Hirn, das sich mit post-strukturalistischen Fragestellungen beschäftigt und versucht, aus Scherben Alltag und Denken zu rekonstruieren. Immer wenn ich drüber nachdenke (was ich selten tue, weil es mich deprimiert) komme ich zu dem Schluss: ich hätte so gerne eine Lehrstelle an der Uni. Bitte unbefristet und gerne qualitätskontrolliert. Ist natürlich illusorisch.

Warum aber ist es illusorisch? Warum kenne ich fast nur Menschen (Männer, aber doch vor allem Frauen mit Kindern), deren akademisches Leben bereits geendet hat obwohl sie ziemlich schlau sind? Warum haben fast alle anderen große Probleme ihr Leben so hinzukriegen wie sie es möchten – mit Kind, Familie und akademischem Leben? Wenn ich den Medien glaube, gibt es dafür 2 Erklärungen:

Erklärung 1: die darwinistische These.

Wenn du es an der Universität oder im akademischem Leben nicht schaffst, so lautet sie, dann bist du eben nicht dafür gemacht. Du bist nicht schlau genug, nicht intelligent genug, du netzwerkst eben zu wenig. Selbst schuld, wenns bei dir nicht klappt, du musst dich eben mehr anstrengen! Du hast keine Zeit? Du musst auch Geld verdienen weil es im akademischen Bereich keine Stellen oder nur unterbezahltes gibt? Weil dir alle nur anbieten, du könntest deine Genialität gerne unbezahlt hier einbringen? Klar, untersuche unsere Keramikkollektion! Nur leider haben wir Geld um dich dafür zu bezahlen. Kannste doch vielleicht abends kommen? Nein, kann ich nicht. Von irgendwas muss ich auch leben. Sie wissen schon, Essen und Miete zahlen. Und nen Kaffee und n Buch hin und wieder wäre auch nett. Und, bevor ichs vergesse: am Abend sehe ich dann auch gerne mal mein Kind. Und meinen Partner. Weil es mich glücklich macht, wissen Sie?

Tja, dann warst du wohl nicht gut und motiviert genug um auf die fünf bezahlten Stellen im Land zu kommen! Darwinistisch unterlegen.

Erklärung 2: Sei flexibel!

Wenn du es im akademischen Leben nicht auf eine bezahlte Stelle schaffst, dann liegt das daran das du nicht flexibel genug bist. Das gilt ja angeblich für alle Stellen momentan. Du kriegst keinen Job? Bewirb dich doch in Kirgisien, die suchen händeringend! Oder wenn nicht Kirgisien, dann geh doch von Hamburg an den Bodensee. Sei flexibel und stell dich nicht so an! Was soll das heißen, du hast gerade erst einen Kitaplatz ergattert und kriegst am Bodensee keinen? Was soll das bedeuten, dein Partner hat nen festen Job in Hamburg. Deshalb musst DU doch nicht auch in Hamburg bleiben! Sei flexibel, Fernbeziehungen peppen eine Beziehung auf! Du willst dein Kind nicht für dein befristetes Jahresprojekt aus der Schule nehmen? Stell dich nicht so an, auch Kinder profitieren davon frühzeitig flexibel zu sein. So läuft das nämlich heute.

Der Subtext

Der Subtext bei beiden Modellen bedeutet ja: Arbeit ist wichtiger als Leben, denn die Arbeit IST dein Leben. Du findest dass Kind, Partner, Ehe, Familie auch Leben sind? Falsch. Geld und Arbeit sind Leben. Laut diesen beiden Modellen jedenfalls. Oder, wie Antje Schrupp es sagt: „der „Modellmensch“, um den herum sich unsere Arbeitswelt, die Sozialversicherungen und so weiter drehen, ist der von Fürsorgepflichten befreite, nur für sich selbst zuständige Erwachsene„. Dabei will ich gar nicht unterstellen, dass Arbeit nicht unendlich wichtig ist im Leben. Wenn man seine Herzensarbeit ausüben darf, dann gibt das natürlich höchste Glücksgefühle, ich nehme mich da nicht aus. Ich kriege schwitzige Hände wenn ich besonders tolle Scherben in die Hände kriegen. Oder neue Funde von Kollegen zur Begutachtung per Email eintrudeln. Ich bin auch gar nicht dagegen, auch mal umzuziehen. Aber die komplette Missachtung meiner Arbeit und Intelligenz durch die Aufoktroyierung schlechter Konditionen, dagegen habe ich was. Ich bin nicht bereit, mein gesamtes weiteres Leben der Unsicherheit zu unterstellen weil ernsthafte, bezahlte Stellen auf diesem Gebiet nur erreichbar sind indem sich entweder zum Hund macht, Familie, Partnerschaft und Kind hintenanstellt oder jedes Jahr in einer anderen Stadt arbeitet. Mit Glück. Deshalb habe ich mich für einfache Geldarbeit entschieden, die mir ökonomische Stabilität bietet. Und abends noch ein paar Stunden für mich, Kind, Partner, Herzensarbeit. Je nachdem.

Ich meine, auch einfache Geldarbeit hat ihre Erfüllung. Wenn man nämlich Miete und Essen bezahlen kann. Und hin und wieder irgendwo was Nettes unternehmen kann. Ich bin also nicht gegen Arbeit IM Leben, sondern gegen Arbeit ÜBER Leben. Und zusammen mit Familie und Kind. Warum darf man diese Dinge nicht nach oben stellen ohne größere Probleme im Arbeitsbereich in Kauf zu nehmen? Und sich zu fühlen als wäre man auf 4 Baustellen gleichzeitig?

Solange mir die Medien weismachen wollen, dass es an unserer Unzulänglichkeit und Inflexibilität liegt dass so viele Menschen in meinem Umkreis nicht akademisch arbeiten können, solange glaube ich, dass das ein gesellschaftliches Problem ist. Von der ganzen Flexibilitäts-Debatte ganz zu schweigen, die den Menschen ausblendet und nur seine Arbeitskraft als wichtig annimmt. Gerade Mütter und Väter versuchen ja, Familie, Partnerschaft und Kind unter einen Hut zu bekommen, der „Arbeit“ heißt. Und da „Arbeit“ ja das Allbestimmende sein soll, wird der Hut ganz schön klein für so viele Dinge.

Eine Freundin fragte mich mal, was geschehen müsse damit kluge intelligente Frauen und Mütter in die akademischen Kreise kommen ohne sich zu verbiegen. Ohne dass Kind und Leben und Familie sich ganz ganz hinten in der Schlange anstellen müssen. Tja, was müsste geschehen? Man müsste verstehen dass Menschen (Frauen, Mütter, Männer, Väter) liebend gerne arbeiten. Und dass sie auch liebend gerne Mütter, Väter, Partner sind. Und dass das zwei Dinge sind, die mit ständiger Flexibilität und Unsicherheit einfach nicht zusammenpassen. Solange wir unser ganzes Leben der Karriere unterstellen weil man uns einreden möchte, dass das das Einzige ist was im Leben zählt – solange werden wir es als Gesellschaft nicht erreichen dass unsere Arbeitskraft geschätzt wird. Sondern wir bleiben eben einfach mobile Arbeitssklaven.

16 Kommentare leave one →
  1. Juni 22, 2012 7:48 am

    Was für ein toller Text! Und ja, richtig interpretiert 😉
    Mir hat mein Arbeitsberater gesagt ich wäre quasi unvermittelbar, weil ich ein Kind habe, nur Teilzeit arbeiten möchte und unflexibel bin was den Wohnort betrifft. Er sieht da kaum Chancen. Da willste doch brechen. Wird Zeit dass einer von uns mal Königin von Deutschland wird und den ganzen Idioten nen kräftigen Arschtritt verpasst 😉

    • Juni 22, 2012 8:09 am

      JAAAAAAAAAAAAAA! Ich zünde gefühlte 40 Kerzen an, dass ich „trotz Kind“ (würg) wieder in den Geld-Job zurückkam. Aber in der Wissenschaft siehts natürlich nochmal anders aus. Schließlich stehts ja jedem frei sein Kind 1.) zu kriegen und 2.) das Kind dann einfach mitzunehmen, ständig umzuschulen etc. Stellt euch nicht so an! heißt die Devise.
      Argh, ich krieg schon wieder Pickel…. Liebe Grüße und schön dass du wieder aufm Damm UND zurück auf Arbeit bist. Mama007

      • Juni 22, 2012 8:18 am

        Es ist schon echt ein Graus. Labern sich einen ab wegen Kinder bekommen und am Ende denken sich alle in der freien Wirtschaft, boah bloß keine Mutter. Oder eine, die locker ne 60h Woche wuppt, jederzeit für den Job alle Zelte abbricht und in jeder Hinsicht ihren Teil zur Gesellschaft beiträgt. Klaro…. Musste auch gleich noch mal was drüber schreiben, hihi, weil mir dank deines Textes der blöde Arbeitsberater wieder einfiel. Es ist echt traurig und es gab echt schwache Momente wo ich es bereut hab, mich FÜR eine Familie entschieden zu haben weil man sich ja anscheinend damit auch GEGEN Arbeit entscheidet. Unglaublich eigentlich.

      • Juni 22, 2012 8:32 am

        Nein. DU machts das eher ganz großartig. Ich muss sagen, in den letzten 4 Jahren ist mir da ein dickeres Fell gewachsen und nehm den Kram zumindest nicht mehr persönlich.
        Liebe Grüße: Mama007

  2. Juni 22, 2012 9:06 am

    Hier is ein Artikel warum wir eigentlich nur selbst Schuld sind, dass wir keinen Job finden:
    http://www.networkingmom.de/wiedereinstieg-fur-mutter-die-stolperfallen-stellen-wir-uns-oft-selbst/#comment-60
    Wir verkaufen uns unter Wert, verhandeln nicht richtig und stehen uns selbst im Weg. Voreingenommene Chefs kommen da gar nicht vor. Ich weiß ja nicht…..

    Und, ich ersuche sowas auch nich persönlich zu nehmen, rege mich aber immer noch schnell auf über sowas. Naja. Is auch ein heikles Thema.
    Liebe Grüße und schönes Wochenende wünsch ich Dir!

    • Juni 22, 2012 9:15 am

      Oh, sehr gut. Werde ich lesen, denn ich habe schon länger einen Artikel über „Selbstverzwergung bei Frauen“ im Sinn.
      Danke! und erhol dich…. Mama007

      • Juni 22, 2012 9:20 am

        Bitte 😉 Über den Artikel werde ich auch noch was schreiben. ist selbst ne Frau und schreibt sowas. Bin ja nicht dafür dass immer nur die anderen schuld sind, aber frauen als heimchen hinzustellen die szu blöd sind sich ordentlich zu verkaufen geht ja mal gar nicht. ich ess jetzt wassermelone. freut sich mein hals 😉

  3. Juni 24, 2012 6:50 am

    Die Frau da, icke also, schreibt da auf http://www.networkingmom.de genau darüber, weil tatsächlich einer der ganz dicken Fische der Berufsberater-Branche eben diese Meinung vertritt und sie auch kund tut. Das wird auch klar, wenn man den kompletten Artikel liest.
    Ich trage Fundstücke zum Thema „Berufstätige Mütter“ zusammen und lasse in der „Kaffeeküche“ meine ganz persönliche Meinung in alle Welt hinaus.

    http://www.networkingmom.de/category/kaffeekuche/

    Insofern freue ich mich über rege Diskussionen zum o.g. Blogartikel. Genau dazu isser da.

    Beste Grüße,
    Sophie

    • Juni 25, 2012 12:50 pm

      Hallo Sophie!

      Leider ist in dem Artikel überhaupt nicht erkennbar, dass Du nur wiedergibst, was der Typ erzählt hat. Ich war ehrlich verwundert, wie man nur schreiben kann, dass Frauen sich selbst im Weg stehen. Da es nunmal Dein Blog ist, geh ich auch davon aus, es ist Deine Meinung.
      LG

      • Juni 25, 2012 1:01 pm

        Wenn ich noch mal so drüberlese, gebe ich dir recht. Das muss ich nochmal anders schreiben, damit das klarer wird. Danke dir.

      • Juni 26, 2012 6:27 am

        Gute Idee! Und sagen sie Bescheid wenn’s soweit ist, ich wurde gerne Ihre eigene Version dazu nich lesen.
        Grüße Ihre Mama007

  4. Juni 24, 2012 9:51 pm

    ich denke, Du sprichst vielen aus der Seel………….nur interessiert es niemanden. Da ja die gute Frau von der Leyen auch eine Tagesmutter hat und wir „einfachen“ Muttis nicht. Vielleicht sollte sich unser doch so toller Sozialstaat mal ein Beispiel an Frankreich nehmen. Freie Kitas rund um die Uhr. Allein das würde schon so vielen helfen, wieder einen Einstieg zu schaffen. Nicht nur Akeademiker, auch in jedem anderen berufszweig sieht es so aus.

    • Juni 25, 2012 6:04 am

      Tja, vielleicht sollten wir uns doch alle mehr engagieren um gehört zu werden. Aber leider bin ich da sehr skeptisch…. Grüße Ihre Mama007

  5. Juni 24, 2012 9:54 pm

    sorry für die Buchstabenfresser………….

  6. Mai 16, 2013 12:51 pm

    Hm, da liegt wirklich einiges im Argen. Zitat Super Mom: „Mir hat mein Arbeitsberater gesagt ich wäre quasi unvermittelbar, weil ich ein Kind habe, nur Teilzeit arbeiten möchte und unflexibel bin was den Wohnort betrifft. Er sieht da kaum Chancen. Da willste doch brechen.“

    Wie wahr! Das ist doch ein gesellschaftliches Problem, wenn so jemand unvermittelbar ist, und keine Frage des persönlichen Engagements!

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